Großbritannien: Auf die feine Art

von Monster Contributor

Wer in Großbritannien geschäftlich unterwegs ist, sollte auf braune Anzüge, Drängelei und übertriebenes Händeschütteln verzichten. Auch mangelnde Sprachkompetenz kann zur Hürde werden.

Österreichische Unternehmer sind immer wieder enttäuscht, weil sie beim Rückflug über den Ärmelkanal bereits einen Geschäftsabschluss in der Tasche wähnten - dieser aber nicht zustande kam. Dahinter steckt klassisches englisches Verhalten, wie Sven Riemann erläutert, der bei der Außenhandelskammer in London für die Absatzberatung zuständig ist. Engländer sagen viel zwischen den Zeilen. Wenn ein englischer Geschäftspartner "very interesting" sagt, so entspricht dies lediglich einem "okay". Und wenn ein Engländer in der Verhandlung erklärt, "we have a tiny problem", sollte man sich beim Wort "tiny" (winzig) nicht entspannt zurücklehnen. Das Gegenüber meint damit, dass ein großes Problem ansteht. Daher sollte sich niemand von höflichen Umschreibungen auf die falsche Fährte locken lassen.

Besonderheiten schon zur Kontaktanbahnung

Doch die Besonderheiten der englischen Geschäftskultur beginnen schon bei der Kontaktanbahnung. Smalltalk ist auch in England die Tür zur Geschäftsbeziehung. Zwar sind Engländer wie Österreicher oder Amerikaner abschlussorientiert. Sie möchten jedoch zumindest ein wenig wissen, mit wem sie es zu tun haben. Achtung: In London trifft man in der Geschäftswelt häufig auf Inder, was auf Englands Vergangenheit als Kolonialmacht zurückzuführen ist. Um hier erfolgreich und freundlich zu sein, muss man mehr Zeit in den Beziehungsaufbau investieren und sich über das Geschäft hinaus für den Geschäftspartner als Menschen interessieren.

Ein weiterer Unterschied: Engländer reichen einander weniger oft die Hand als Österreicher. "In England wird sich genau einmal die Hand geschüttelt - und das, wenn man sich das erste Mal vorstellt", sagt Marius Claudy. Er hat nach dem Studium in Deutschland eine Anstellung in England gewählt - und wollte anfangs zu oft Hände schütteln. Wer beim zweiten Treffen zum Handshake ausholt, ist bereits in ein kleines Fettnäpfchen getreten. Grundsätzlich haben die Briten ein ausgeprägtes Distanzverhalten. Man hält daher zu einem englischen Geschäftspartner rund eine Armlänge Abstand ein.

Sprachkompetenz nicht überschätzen

Wie in den USA platzen auch in England durch BSE regelmäßig Geschäfte. Gemeint ist mit BSE aber nicht der Rinderwahn - sondern Bad Simple English. Fach- und Führungskräfte überschätzen entweder ihre eigene Sprachkompetenz oder setzen für Übersetzungen ihre Sekretärin oder Studenten ein. Laut Berlitz Sprachschulen sprechen mehr als 573 Millionen Menschen Englisch - das entspricht rund 11,3 Prozent der Weltbevölkerung. "Es gibt jedoch keine Angaben darüber, wie gut sie sprechen können", erläutert Berlitz-Sprecherin Karin Radtke.

Mangelnde Sprachkompetenz führt zu mehreren Problemen:

  1. Geschäftspartner nehmen Feinheiten im Ausdruck nicht wahr und verstehen Inhalte falsch
  2. Manager verspielen gegenüber ihrem Geschäftspartner durch mangelnde Sprachkompetenz Autorität. Selbst Fach- und Führungskräfte verlieren durch irrtümliche Übersetzungen an Glaubwürdigkeit.
  3. Es kommt zu Verständigungsproblemen und Missverständnissen. Maß- und Zahlenangaben werden falsch eingesetzt. Immer wieder verwenden Ausländer bei Präsentationen in London die Maßeinheit Zentimeter statt Inches.

Geschäftskultur: Abweichungen von der Tagesordnung im Nachgang besprechen

"Meetings kamen mir in Deutschland immer wesentlich strukturierter und organisierter vor", sagt Marius Claudy. "Ich hatte oftmals das Gefühl, dass der Fokus verloren ging und Meetingpartner vom eigentlichen Kern der Sache abgewichen sind." Dies ist eine Eigenheit der Briten - man sollte sich davon nicht verunsichern lassen, wenn sich Gesprächspartner oder Kollegen nicht an die Tagesordnung halten. Es wäre ein Fehler, auf ein striktes Abhandeln aller Punkte zu beharren. Bleiben nach einem Meeting Dinge ungeklärt, werden diese im Nachhinein am Telefon oder via E-Mail besprochen.

Höflichkeit ist Pflicht

Wer ungeduldig ist oder drängelt, wirkt ungehobelt. Ab zwei Personen bilden Engländer eine Schlange. Auch in der Sprache ist Höflichkeit Pflicht. Lieber einmal mehr als einmal zu wenig - diese einfache Regel sollte man sich für den Einsatz der Wörter "sorry", "please", "thank you" merken. "Es gibt eine Riesensammlung an Floskeln, die nicht die Bedeutung haben, die wir als Deutschsprachige herauslesen", sagt Christin Postl. In England wird selten eine Frage direkt gestellt. Dies klingt nämlich wie ein Befehl. Stattdessen schicken Engländer stets eine Einleitung vorweg, die sich im Deutschen am ehesten mit einer einfachen Bitte übersetzen lässt.

Very british - So werden aus Befehlen höfliche Fragen:

  • I wonder if you could ....?
  • I would very much appreciate, if ...?
  • Could you be so kind...?

Tischkultur: Essen auf dem Gabelrücken

Bei einem Geschäftsessen kann man ebenfalls einige Besonderheiten beachten. Dies ist jedoch nicht dringend notwendig. Wer etwa Suppe isst, sollte den Löffel nicht von vorn in den Mund führen, sondern seitlich. Dabei wird der Löffel nicht ganz in den Mund geschoben. Beim Hauptgang und generell gilt: Wer etwas auf sich hält, benutzt die Gabel mit den Zinken nach unten - was bei Reis und Erbsen zu einer wackligen Angelegenheit wird. Eine Besonderheit gibt es noch. Nach dem Büro geht es oft in den Pub. "Es handelt sich um einen essenziellen Schritt hin zu einem entspannten und gelösten Arbeiten", erklärt Claudy. Wer sich stets um den After-Work-Drink drückt, gilt als unhöflich und der nüchterne Beweis für die Trinksünden der Kollegen.

Dresscode: Vorsicht mit Braun und Krawattenmustern

Der englische Dresscode ist vergleichbar streng wie der amerikanische und einen Zacken traditioneller. Anzug und Krawatte sind im Geschäft Pflicht - auch im Sommer. Vorsicht jedoch bei der Farb- und Musterwahl. Den braunen Anzug sollte man im Kleiderschrank lassen. Während braune Anzüge im deutschsprachigen Raum seit dem Jahr 2000 als recht schick gelten, mögen Engländer diese Farbe nicht. Wer bei der Wahl der Krawatte jegliche Irritation ausschließen will, sollte sich für eine unifarbene entscheiden. Bestimmte Farbkombinationen oder Streifen stehen mitunter für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Club.

(Kai Oppel, 2006)