Motivation im Home Office - Wider den Schweinehund

Tipp-Sammlungen für Telearbeiter verstoßen gegen jedes Tierschutzgesetz. Da werden ganze Rudel von inneren Schweinehunden besiegt, an die Kette gelegt oder zumindest überlistet. Falsch! Liebe deinen inneren Schweinehund wie dich selbst, muss es heißen. Nur so verliert das Home Office seinen angeblichen Schrecken.
1. Im Home Office: Teilen und (sich be-)herrschen
Viele Menschen, die jeden Tag das Haus verlassen, ins Büro fahren, arbeiten und wieder nach Hause fahren, klagen über Vorgesetzte, Kollegen, Routinen und Druck von außen. Sobald sie einen Teil der Arbeit ins Home Office verlagern, klagen sie, dass ihnen Vorgesetzte, Kollegen, Routinen und Druck von außen fehlen. Ja, was denn nun? Die "geordneten Verhältnisse" im Unternehmen machen offensichtlich genauso wenig glücklich wie die "grenzenlose Freiheit" am Schreibtisch daheim.
Der Grund ist, dass sich nicht jede Aufgabe überall gleich gut erledigen lässt. Eine knifflige Projektpräsentation vorzubereiten, gelingt im stillen Privatkämmerlein eher als im Unternehmen, wo alle paar Minuten ein Kollege vorbeischaut. Dagegen ist ein Brainstorming in trauter Einsamkeit recht zäh. Telearbeiter müssen deshalb genau festlegen, welche Aufgabe an welchen Ort gehört. Und sie müssen klare Absprachen mit Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern und sich selbst – beziehungsweise dem Schweinehund – treffen, um diese "Geschäftsverteilung" durchzuhalten.
2. Ordnung schaffen – aber mit Augenmaß
Viele Tipps und Tricks zur Organisation im Home Office sind "technischer Natur": Arbeits- und "Lebens"-Platz räumlich trennen; Schreibtisch regelmäßig aufräumen; Kleidung wie fürs "normale" Büro wählen; Tagesplan mit festen Zeiten aufstellen; Pausen bestimmen; keine Ablenkungen durch Fernsehen, Internet-Spiele etc.; Routinen einrichten, etwa immer zuerst die Post bearbeiten. Hinzu kommen Patentrezepte wie die "3 x 3 Regel", nach der jeden Tag drei vordringliche Aufgaben, drei weniger wichtige und drei Bonus-Aufgaben zu erledigen sind.
Alle diese Empfehlungen sind für sich genommen berechtigt, aber sie bringen nicht jeden Menschen weiter – schon gar nicht in ihrer Gesamtheit. Richtig ist, je nach individuellem Arbeitsstil nur so viel Struktur zu schaffen, dass die Vorteile des freien Arbeitens zu Hause erhalten bleiben. Der Schweinehund braucht schließlich Auslauf.
3. Top-Equipment für Top-Leistung
Pannen mit dem PC, der Telefonanlage oder dem Auto verursachen Stress. Das Home Office nach dem "State of the Art" auszustatten, ist natürlich im Interesse des Unternehmens, aber nicht jeder Vorgesetzte winkt teure Neuanschaffungen locker durch.
Dennoch müssen Telearbeiter hartnäckig sein und dafür sorgen, dass ihr Heimarbeitsplatz mit dem Büro im Unternehmen mithält. Dies schließt Unterstützung durch den Firmen-Support ein, etwa bei der Einrichtung des Computers.
4. Richtig Pause machen
Genüsslich am heimatlichen Schreibtisch vor sich hinwerkeln und auch mal die Beine hochlegen – das geht natürlich, darf aber nicht Gewohnheit werden. Wer die fehlende Kontrolle missbraucht, betrügt sich und sein Unternehmen um Erfolgserlebnisse – und wird das Privileg des Home Office rasch wieder einbüßen.
Besser ist es, die "Zeithoheit" sinnvoll zu nutzen und Pausen so zu planen, dass sie das Privatleben aufwerten, ohne die betrieblichen Abläufen zu stören. Also nicht gerade dann auf den Anrufbeantworter umschalten, wenn erfahrungsgemäß die meisten Kollegen aus dem Unternehmen durchklingeln. Gute Pausennutzung bedeutet auch, Dinge zu tun, die sich im Unternehmen nur schwer verwirklichen lassen, beispielsweise Ausdauersport. Körperliche Fitness steigert das allgemeine Wohlbefinden, schafft Abwechslung, bringt Erfolgserlebnisse mit sich, lässt Ideen fließen.
5. Nicht ausbeuten lassen
Der Druck, den man sich selbst macht, ist größer als der Druck von außen. Deshalb muss das Arbeitskontingent zu Hause realistisch bemessen sein. Es nützt nichts, Projekte anzunehmen, deren Abarbeitung nicht sicher ist oder nur mit Abstrichen bei der Qualität gewährleistet werden kann.
Freizeit und Urlaub sind nicht verhandelbar, auch nicht um den Preis einer Beförderung oder Gehaltserhöhung. Der Schweinehund darf gegenüber dem Chef ruhig mal die Zähne fletschen.
6. Clever netzwerken
Auch wer ein Einzelgänger ist, kann durch die Zusammenarbeit mit anderen lernen. Manche Telearbeiter begehen den Fehler, dass sie den Kreis möglicher Kontakte zu eng ziehen. So schmoren immer dieselben Kollegen in einem Saft. Für den Job bringt das wenig, auch nicht für das private Umfeld.
Erfrischender ist es, übergreifende "Netzwerke" zu spannen, etwa indem ein Journalist Kontakte zu Hochschulprofessoren knüpft, die als Experten seine Recherchen unterstützen.
7. Bestätigung suchen
Das Gefühl mancher Telearbeiter, vom "normalen" Jobleben abgeschnitten zu sein, rührt daher, dass sie zu Hause wenig "Feedback" erhalten. Da ist niemand, der sich für einen Rat bedankt oder auch mal Kritik übt. "Wenn jemand eine starke internale Kontrollüberzeugung hat sowie von der Sache, die er oder sie macht, sehr überzeugt ist, braucht er wenig Druck von außen, denn der innere Antrieb ist vorhanden", sagt Brigitte Böhi, Karriereberaterin im schweizerischen Zug.
Wer nicht derart in sich selbst ruht, sollte Kollegen im Unternehmen anrufen und sie um Feedback bitten. Gut ist ein telefonischer "Jour fixe". Auch wenn gerade nichts "anliegt", bleibt man so über aktuelle Projekte im Unternehmen, Knatsch und Tratsch auf dem Laufenden.
8. Kopf hoch!
Telearbeiter kämpfen oft gegen Vorurteile von Verwandten, Freunden, Nachbarn, die sich "richtige" Arbeit nur von neun bis fünf und in einem fernen Bürogebäude vorstellen können. "Hast du denn regelmäßig zu tun?" "Ist das nicht ein herrliches Leben – kein Chef und immer auf dem Balkon?" Solche Fragen nerven, sind aber selten böse gemeint.
Dagegen helfen ein dickes Fell und verbale Konter: "Heute mache ich Feierabend, wenn ich fertig bin. Früher, als ich noch kein Home Offive hatte, bin ich aus dem Büro geschlichen, wenn Chef und Kollegen gerade weggeguckt haben."
(Christoph Stehr)