Italien: Höflichkeit fängt beim Espresso an
Wer mit Manieren und Kommunikationstalent ausgestattet ist, kann in Italien gute Geschäfte machen. Doch Vorsicht: Jenseits der Alpen warten einige Kniggefettnäpfchen.
Auch wenn es durch die engen Gassen hallt wie das Knattern der Vespas: "Ciao" hat im Geschäftsleben nichts zu suchen. Wer einen Chef, Vorgesetzten oder Geschäftspartner mit "Ciao" begrüßt, der hat ihn geduzt. Besonders älteren Geschäftspartnern gegenüber sollte man extrem höflich sein. "Selbst wenn der Gesprächspartner beim Meeting nickt, muss man ihm Respekt erweisen", sagt Michael Rübenkönig, der in Italien für einen großen Edelmetallkonzern tätig ist. Die Begrüßung selbst erfolgt mit kurzem Händedruck und intensivem Blickkontakt. Großer Wert wird auf Status und Titel gelegt.
Die korrekte Anrede der Gäste enthält die Anredeformen "Signor" und "Signora" sowie die Position, zum Beispiel "Presidente" und "Direttore", oder einen Titel, wie "Dottore" und "Dottoressa". Möglich ist auch, bei der Anrede Titel und Namen zu kombinieren. Damit ergeben sich zur Begrüßung folgende Möglichkeiten: "Buongiorno, Signor Presidente!" oder "Buongiorno, Dottore Dimarzo". Zu beachten ist, dass nicht alle Italiener promoviert haben. In Italien wird jeder Hochschulabsolvent Dottore beziehungsweise Dottoressa genannt. Es gehört sich zudem, einen Anwalt mit "Advocato" und einen Ingenieur mit "Ingeniere" anzusprechen.
Kommunikation: Sympathie als wichtigste Geschäftsgrundlage
In Italien macht man vor allem mit Menschen Geschäfte, die man sympathisch findet. Italienexperte und Businessbuchautor Gerhard Hain sagt: "Unternehmen begehen oft den Fehler und schicken einen fachlich kompetenten Mitarbeiter als erstes nach Italien. Es ist aber erfolgsversprechender, einen kommunikativen Mitarbeiter zu schicken, der mit Status ausgestattet ist."
Ungezwungene Unterhaltungen kommen schnell in Gang, wenn man einige Regeln beachtet. Dass man nicht über den Zweiten Weltkrieg, die Mafia oder Probleme der katholischen Kirche spricht, versteht sich von selbst. Ebenfalls verzichten sollte man auf Plaudereien über den Gardasee, den die meisten Italiener nicht mögen. Mit dem Thema Fußball geht der Gesprächsstoff beim Smalltalk nicht aus. Beliebt sind ebenfalls Gespräche über italienische Filme und Kunst, Literatur, Architektur, Wein sowie das aktuelle Geschehen in Österreich.
Kommunikation: Unterbrechungen und Nähe
Während Unterbrechungen in Österreich als unhöflich gelten, sind sie in Italien erlaubt. Gesprächsüberlappungen sind bei expressiven Italienern üblich und sollten keinen Unmut erzeugen. Auch in der nonverbalen Kommunikation gibt es Unterschiede. Kommen Geschäftsbeziehungen zustande, sollten man sich als Österreicher nicht irritieren lassen, wenn einen Italiener näher kommen. Das Miteinander spielt sich deutlich in der Zone ab, die für Österreicher bereits persönlich ist. Achtung: Reflexartiges und starkes Zurückweichen kann fehlinterpretiert werden.
Geschäftskultur: Netzwerke aufbauen, Beziehungen pflegen
Italiener umgehen gerne Regeln. "In Italien gibt es 170.000 Gesetze und Verordnungen", sagt Gerhard Hain. Jeder hat sein eigenes System, ein Netz, Verabredungen oder Tricks, wie er sich am besten durchs Leben im Allgemeinen und die Schwierigkeiten des Lebens im Besonderen wuselt. Der eine weiß, wie er sich gegen Falschparktickets wehrt. Der nächste hat eine Regel gefunden, mit der er alles günstiger erhält. Fast jeder Italiener hat ein Netz an Freunden und Bekannten, von denen er Hilfe erhält und denen er hilft. L`arte di arrangiarsi - die Kunst sich zu arrangieren. Wer in Italien erfolgreich Geschäfte machen will, muss seine Beziehungen pflegen. Es muss sich dabei nicht um Bestechung handeln. Oft reichen kleine Gefälligkeiten und Gesten wie etwa ein kurzer Plausch bei einem Espresso.
Pünktlichkeit bei Terminen
Dass Italiener grundsätzlich unpünktlich sind, stimmt keinesfalls. Im Norden Italiens kommen Verspätungen selten vor, in Rom etwas häufiger. Mittlerweile drängen immer mehr Süditaliener in Norditalien in gehobene Stellungen, wo sie sich nach der Uhr richten. Von einem österreichischen Geschäftspartner wird Pünktlichkeit erwartet.
Bei Meetings und Verhandlungen sollte sich niemand aus der Ruhe bringen lassen. Vorab aufgestellte Tagesordnungspunkte werden selten strikt eingehalten. Während einige Punkte gar nicht besprochen werden, besteht bei manchen Themen die Tendenz zur Haarspalterei und Überanalyse. "Man darf sich niemals zu Ungeduld verleiten lassen oder versuchen, Druck auszuüben", sagt Rübenkönig. Ständiges Verbessern und Bevormunden mögen Italiener nicht - es kommt einem Kniggeverstoß gleich.
Tischkultur: Großzügig sein
Italiener besprechen Geschäfte gerne beim Essen. Im Restaurant gilt: Das selbstständige Suchen eines Tisches gehört sich nicht. Das Menü schließt mit einem Espresso, der Caffe heißt. "Nach dem Espresso wird kein Wein mehr getrunken", sagt Vera Moll, die in Italien gelebt und studiert hat und heute als Geschäftsführerin in einer renommierten Vermögensverwaltung tätig ist. Cappuccino trinken Italiener traditionell nur zum Frühstück oder am Nachmittag - nicht jedoch nach den Hauptmahlzeiten. Wichtig: In Italien werden Rechnungen nicht geteilt. Für Italiener ist das gegenseitige Einladen eine Einstellung. Heute ich, morgen du, lautet die Devise. "Bei dieser Regel schwingt der positive Gedanke mit, dass es bei der Geschäftsbeziehung ein nächstes Mal gibt", sagt Vera Moll. Man sollte daher niemals einem Italiener seinen Anteil geben, wenn er bezahlt hat.
Dresscode: Exklusiver Kleidungsstil
Dolce & Gabanna, Giorgio Armani, Massimo Rebecchi, Versace, Antonio Marras und mindestens 29 andere Weltklassedesigner haben eines gemein: Sie kommen aus Italien. Italiener sind ein modebegeistertes Volk und legen Wert auf ein gepflegtes Äußeres und gute Kleidung. Im Geschäft gilt es, stets eine Bella Figura zu machen. Ausschlaggebend sind eine gute Passform und die Qualität des Stoffes. Schlabberige Kleidung oder Ökosandalen schmerzen jeden Italiener und disqualifizieren den Träger.
(Kai Oppel, 2007)