Kündigung aus betrieblichen Gründen
Wann darf Sie ein Unternehmen wegen "betrieblicher Umstände" kündigen? Welche Rolle spielt der Betriebsrat? Gibt es einen Schutz für ältere DienstnehmerInnen? Und vor allem - ist so eine Entscheidung anfechtbar?
1. Muss eine Kündigung begründet werden?
Nein, nach der österreichischen Rechtsordnung muss ein Arbeitgeber die Kündigung eines Arbeitnehmers nicht begründen. Er muss sich nur an die gesetzlichen und/oder vertraglichen Fristen und Termine halten.
2. Ist der Betriebsrat in Kündigungsentscheidungen einzubeziehen?
Der Betriebsinhaber hat den Betriebsrat vor jeder Kündigung eines Dienstnehmers zu verständigen. Der Betriebsrat kann innerhalb von fünf Arbeitstagen dazu Stellung nehmen. Vor Ablauf dieser Frist kann die Kündigung nicht rechtswirksam ausgesprochen werden, es sei denn, dass der Betriebsrat bereits zuvor eine ("fristverkürzende") Stellungnahme abgegeben hat.
3. Muss der Betriebsrat einer Kündigung zustimmen, damit sie wirksam ist?
Nein, grundsätzlich ist die Kündigung von Dienstnehmern nicht an die vorherige Zustimmung des Betriebsrates gebunden.
Mit der Art der Stellungnahme des Betriebsrates sind nur unterschiedliche rechtliche Konsequenzen im Zusammenhang mit der Kündigungsanfechtung verbunden (siehe dazu unten).
4. Kann der Arbeitnehmer eine Kündigung bekämpfen?
Ja, diese Möglichkeit besteht in folgenden Fällen:
Gemäß § 105 Abs 3 ArbVG kann eine Kündigung grundsätzlich beim Gericht angefochten werden, wenn sie aus bestimmten Motiven (z. B. Tätigkeit in Gewerkschaften, Bewerbung zum Betriebsrat) erfolgt ist oder wenn sie sozial ungerechtfertigt (sozialwidrig) ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Unternehmen beschäftigt ist.
5. Was versteht man unter Sozialwidrigkeit?
Sozial ungerechtfertigt (sozialwidrig) ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt.
Es ist darauf Bedacht zu nehmen, ob das Arbeitseinkommen einen erheblichen Einfluss auf die Lebensführung hat oder der damit verbundene Aufwand aus anderen Quellen gedeckt ist. Dem zufolge ist nicht nur auf die Chance zur Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes und in diesem Zusammenhang auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, den Verlust allfälliger dienstzeitabhängiger Ansprüche sowie die mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Vorteile (z. B. Dienstwohnung) Bedacht zu nehmen, sondern es müssen darüber hinaus auch die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers einbezogen werden. Dies bedeutet, dass auch Einkommen, Vermögen, Sorgepflichten, Einkommen des Ehegatten und der anderen erwerbstätigen Familienmitglieder sowie Schulden, soweit deren Entstehungsgrund berücksichtigungswürdig ist, einzubeziehen sind.
6. Ist jede sozialwidrige Kündigung unzulässig?
Nein, selbst eine an sich sozialwidrige Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass die Kündigung
durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren (= persönliche Gründe) oder
durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen (= wirtschaftliche Gründe),
begründet ist.
7. Was sind derartige "betriebliche Erfordernisse"?
Nach der Rechtsprechung wurden beispielsweise folgende Umstände als Kündigungsrechtfertigungsgründe anerkannt:
- mangelnde Aufträge
- Rückgang des Absatzes
- Wettbewerbsrücksichten
- geringe Ertragslage
- veraltete Betriebsanlagen
- Mängel in der Rohstoff- und Materialbelieferung
- Kreditschwierigkeiten und
- Ausfall von Maschinen, Gas und Strom
Selbst wenn der Arbeitgeber betriebliche Interessen für die Kündigung nachweisen kann, ist zusätzlich zu prüfen, ob er seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist. Die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel eingesetzt wird. Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, so ist ihm dieser Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten. Unterlässt der Arbeitgeber dieses Angebot, so ist die Kündung sozial ungerechtfertigt.
8. Gibt es besondere Vorschriften für ältere Dienstnehmer?
Ja: Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Unternehmen sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen.
9. Welche Fristen sind zu beachten?
Der Betriebsrat kann auf Verlangen des gekündigten Arbeitnehmers binnen einer Woche nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung diese beim Gericht anfechten, wenn er der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen hat.
Kommt der Betriebsrat dem Verlangen des Arbeitnehmers nicht nach, so kann dieser innerhalb einer Woche nach Ablauf der für den Betriebsrat geltenden Frist die Kündigung selbst beim Gericht anfechten.
Hat der Betriebsrat innerhalb der fünftätigen Frist keine Stellungnahme abgegeben, so kann der Arbeitnehmer innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung diese beim Gericht selbst anfechten.
Hat der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung innerhalb der genannten Frist ausdrücklich zugestimmt, so kann der Arbeitnehmer innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung diese beim Gericht anfechten. In diesem Fall kann der gekündigte Dienstnehmer die Kündigung nur als motivwidrig, nicht jedoch als sozialwidrig anfechten.
10. Können Manager ihre Kündigungen auch anfechten?
Vom persönlichen Geltungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes ausgeschlossen sind insbesondere leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht, wie entscheidende Personalkompetenzen (zur Einstellung, Kündigung, Entlassung, Versetzung, etc.) und budgetäre Kompetenzen. Leitende Angestellte - nicht jedoch "sonstige" Manager - sind daher nicht berechtigt, die Kündigung anzufechten. Ebenso wenig muss der Betriebsrat vor der Kündigung eines leitenden Angestellten verständigt werden.
(Dr. Alexandra Knell)
Dr. Alexandra Knell
ist Rechtsanwältin und Mediatorin. Sie ist Mitautorin des Buches
"Dienstverträge für Führungskräfte - Arbeitsrecht, Steuer- und
Sozialversicherungsrecht, Personalwirtschaft". www.knell.co.at