Lehrer
Ein gut bezahlter Halbtagsjob und lange Ferien – das ist in vielen Fällen die reduzierte öffentliche Wahrnehmung des Lehrerberufs. Dieses Image ist auch für viele angehende Lehramtsstudenten die Entscheidungsgrundlage für die Berufswahl. Doch es ist ein Klischee – und daher auch eine Entscheidung aus falschen Gründen, wie Mag. Ingrid Kucera, Geografie-Lehrerin am Brigittenauer Gymnasium, erklärt: „Der Lehrerberuf ist kein Halbtagsjob. Wenn man die Arbeit ernst nimmt, hat man mindestens eine 40-Stunden-Woche. Auch inhaltlich und organisatorisch ist der Anspruch hoch.
Gute Selbstorganisation und Zeitmanagement erforderlich
Auf eine Unterrichtsstunde entfallen im Durchschnitt je eine Stunde Vor- und Nachbereitungszeit, mal mehr, mal weniger. Für Projektarbeiten im Ausmaß von drei Unterrichtsstunden benötigt die Lehrerin beispielsweise rund zehn Stunden an Vor- und Nachbereitungszeit. Korrekturen von Hausarbeiten, Schularbeiten, die Vorbereitung von Arbeitsblättern, administrative Tätigkeiten, Konferenzen und Besprechungen, Aufsicht, Gespräche mit Schülern und Eltern außerhalb der Sprechstunden, der Austausch mit anderen Kollegen, die Organisation von diversen Schulveranstaltungen oder etwa Fortbildungsveranstaltungen – all das sind Tätigkeiten, die für Lehrer zusätzlich außerhalb des Klassenzimmers anfallen.
Die Schulstunde selbst erfordert ein sehr hohes Maß an Präsenz. Dies ist eine Herausforderung, die von vielen unterschätzt wird: „Die einzelnen Unterrichtsstunden können sehr anstrengend sein, weil 20-30 Schüler 50 Minuten lang deine Aufmerksamkeit und deine Persönlichkeit fordern“, sagt die erfahrene Lehrerin. Darüber hinaus erfordert der Beruf ein hohes Maß an Selbstorganisation und Zeitmanagement.
Persönliche Beziehungen sind sehr wichtig
Viele Aspekte des Berufs haben sowohl eine positive als auch eine negative Seite. Einer der vielen positiven Seiten des Berufs ist für Ingrid Kucera die Freiheit in der Gestaltung des Unterrichts. „Wenn ich in eine Klasse gehe, bin ich gewissermaßen mein eigener Chef – auch wenn ich dem Lehrplan und didaktischen Methoden folgen muss, bin ich in der Gestaltung der Unterrichtsstunden relativ frei.“ Die wichtigste „Kontrollinstanz“ sind die Schüler selbst. „Die Bewertung, ob man seine Arbeit gut macht – das Feedback – kommt von den Schülern.“
Die persönliche Beziehung, die Lehrer zu ihren Schülern aufbauen, ist ein besonderes Charakteristikum des Berufs. Zwischen vier bis acht oder neun Jahren – je nach Schulform – begleiten sie Kinder- und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 18 oder 19 Jahren durch eine sehr ereignisreiche und prägende Phase ihres Lebens.
Das Brigittenauer Gymnasium bietet mehrere Schulformen an: Gymnasium, Unterstufen- und Oberstufenrealgymnasium (mit unterschiedlichen Schwerpunkten – Naturwissenschaften, Instrumentalunterricht, Audio und Bildnerisches Gestalten und ein Sondermodell speziell für Leistungssportler). Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sich für AHS-Lehrer primär an öffentlichen, aber auch an privaten Schulen. Die Jobchancen variieren einerseits regional und andererseits je nach Fächerkombination. Auch bildungspolitische Entscheidungen – wie etwa die Änderung der Klassenschülerhöchstzahlen oder Pensionierungen – nehmen auf die Arbeitsmarktsituation Einfluss.
Lehrer stoßen oft an persönliche Grenzen
„Eine starke, gefestigte Persönlichkeit, Gespür für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen, Offenheit, die Bereitschaft, sich auf junge Menschen einzulassen, eine dicke Haut und Humor“, nennt Ingrid Kucera als die zentralen Anforderungen, die der Lehrerberuf stellt. Diese Soft Skills – didaktische und pädagogische Fähigkeiten – sind mindestens genauso wichtig wie das Fachwissen und bilden in Kombination das Fundament, auf dem die Wissens- und Kompetenzvermittlung aufbaut.
Ein Patentrezept für das optimale Schüler-Lehrer-Verhältnis gibt es nicht. Ingrid Kuceras Zugang ist Respekt, Transparenz und das Bewusstsein, die Schüler auf ihre Zukunft vorzubereiten: „Jede Beziehung muss auf gegenseitigem Respekt basieren. Ich hab vor allen Schülern Respekt und erwarte diesen auch von ihnen. Gerade Distanz- und Respektlosigkeit lassen einen oftmals an die persönlichen Grenzen stoßen.
Unterricht als Plauderstunde mit System
Ich versuche mit Schülern aller Altersstufen ein sehr klares Verhältnis aufzubauen, einen offenen und ehrlichen Weg zu gehen. Transparenz – nicht nur in Bezug auf Noten – bedeutet etwa den Lehrplan mit Schülern zu besprechen und sie so weit als möglich in die Unterrichtsgestaltung mit einzubeziehen. Ich folge auch dem Grundsatz, die Schüler auf die Universität und wissenschaftliches Arbeiten vorzubereiten. Die härteste und herausforderndste Arbeit besteht aber sicher darin, die Schüler in ihrem Erwachsenwerden zu begleiten, wofür es notwendig ist, auch klare persönliche Grenzen zu setzen.“
„Eine Unterrichtsstunde kann wie eine Plauderstunde bei Kaffee und Kuchen sein, nur das Plaudern hat System“, beschreibt die Lehrerin die Atmosphäre einer gelungenen Stunde. Eine erfolgreiche Stunde ergibt sich einerseits aus dem Gefühl des Lehrers, Wissen und Kompetenzen schülerorientiert weitergegeben zu haben, andererseits durch positives Feedback, „wenn sich die Schüler wohl fühlen und zeigen, dass sie Freude haben, dass sie etwas gelernt haben, dass man gerecht ist in ihren Augen und Verständnis zeigt.“ Aber nicht jede Unterrichtsstunde gelingt. „Es gibt auch Stunden, nach denen man aus einer Klasse geht und sich leer, erschöpft und ausgebrannt fühlt. Die Unterstützung und der Rückhalt von den Kollegen kommen dann besonders zu tragen“, berichtet Kycera.
Mit zusätzlichen Lehrgängen die Chancen verbessern
Der Zugang zum Beruf erfolgt über ein Lehramtsstudium an einer Universität – in der Regel eine Fächerkombination aus zwei Unterrichtsgegenständen. Folgende Fächerkombinationen bieten sich an:
- Deutsch
- Sprachen wie Englisch, Französisch, Italienisch, Latein oder etwa Spanisch)
- Mathematik
- Biologie und Umweltkunde
- Geografie
- Wirtschaftskunde
- Geschichte
- Sozialkunde und Politische Bildung
- Informatik und Informatikmanagement
- Psychologie
- Philosophie
- Physik oder auch
- Chemie
Auch eigene, aufbauende Universitätslehrgänge bringen Lehrern Chancen, wie etwa:
- Mediation und Konfliktmanagement
- Legasthenie oder
- Professionalität im Lehrerberuf (ProFiL)
Arbeitsmarktsituation verbessert sich
Auf das Studium folgt ein einjähriges Unterrichtspraktikum. Und danach heißt es für viele Junglehrer erst mal warten - je nach Fächerkombination und Bundesland sind die Wartelisten für eine Lehrerstelle unterschiedlich lang. „Klassische Fächerkombinationen wie Deutsch und Geschichte oder Geografie und Sport sind tendenziell Kombinationen mit längeren Wartezeiten. Aber auch mit Psychologie und Philosophie, Unterrichtsgegenstände, auf die in der Oberstufe nur vier Stunden entfallen, bedeuten oft langes Warten.
Die Situation scheint sich allerdings zu verbessern. Viele Junglehrer bekommen heute gleich nach dem Unterrichtspraktikum eine Anstellung, wenn auch nicht immer gleich eine volle Lehrverpflichtung“, erläutert Ingrid Kucera. Oftmals entscheidet nicht nur die Listenreihung über den Arbeitsplatz. Ingrid Kucera kritisiert, dass es in dem System „nicht um die Qualifikation geht, sondern oftmals um Glück. Man muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein.“ Stark nachgefragt werden im Moment naturwissenschaftliche Fächer wie Physik und Chemie. Die Nachfrage nach Physik- und Chemielehrern ist sehr stark, weil Qualifikationen in diesen Bereichen auch in der Privatwirtschaft gefragt sind.“
Aufstiegsmöglichkeiten sind eingeschränkt
Lehrer befinden sich in einem „relativ sicheren System“, wie Ingrid Kucera sagt. „Ich weiß heute schon, wie viel ich kurz vor meiner Pensionierung verdienen werde, kann meinen Job quasi nicht verlieren, wenn ich einmal in dem System drinnen bin.“ Die Einstiegsgehälter für BerufseinsteigerInnen belaufen sich bei voller Lehrverpflichtung auf rund 2.000 Euro brutto pro Monat. Die Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten sind im Lehrerberuf nur eingeschränkt.
Eine Aufstiegsmöglichkeit ist ein Direktionsposten an einer Schule. Auch der Wechsel in die Landes- oder Bundesschulbehörden ist möglich. Außerhalb der Schule bieten sich – je nach Ambitionen – unterschiedliche Möglichkeiten für Lehrer, ihr fachliches Know-how und ihre Qualifikationen einzubringen. Ingrid Kucera arbeitet beispielsweise aktuell als Mitautorin an einem Geografie-Oberstufenlehrbuch und war davor als Lektorin tätig.
Weitere Informationen:
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (bm:uk):
www.bmukk.gv.at
Brigittenauer Gymnasium:
www.borg20.at