Mein erster Job: Einstieg und Probezeit

Auch Berufseinsteiger sollten den ersten Arbeitsplatz sorgfältig auswählen. Karriereexperten geben Tipps, wie Sie typische Anfängerfehler vermeiden.

"Nach der ersten Redaktionssitzung war ich entsetzt", erklärt Andreas F. "Ich hab ja vor dem Dienstantritt durch Praktika schon etwas Erfahrung sammeln können, aber das hohe Maß an Gehässigkeit und offener Feindseligkeit war völlig unerwartet." Der niederösterreichische Jungjournalist wurde kalt erwischt: Sein erster Arbeitgeber entpuppte sich als miserabel geführtes Unternehmen. "Die Redaktion war ein Lehrbuchbeispiel für alles, was man sich in seinem Arbeitsumfeld nicht wünscht: Mobbing, Intrigen und ein Ressortchef, der seine Mitarbeiter gegeneinander ausspielte."

Den Arbeitgeber sorgfältig auswählen

Andreas F. verließ das Unternehmen schon nach wenigen Wochen, als Werkvertragsnehmer formalrechtlich kein Problem. "Auf dem Lebenslauf sieht das aber leider trotzdem nicht sehr gut aus", ärgert sich F., der seither schon mehrfach von potentiellen Arbeitgebern auf die kurze "Verweildauer" bei dem Medienunternehmen angesprochen wurde.

Für die Wahl des ersten Arbeitgebers soll man sich Zeit lassen – das sehen auch viele Coaches so, allerdings mit Einschränkung: Strategische Überlegungen variieren mit dem Ausbildungsniveau. "Es macht einen Unterschied, ob ein fertiger Akademiker oder ein Lehrstellensuchender sich auf Jobsuche macht", erklärt Mag. Elfriede Gerdenits, Karrierecoach aus Baden bei Wien. Die Beraterin und Autorin ist eine von Österreichs bekanntesten Expertinnen, wenn es um junge Berufseinsteiger geht.

Am Beginn der Karriere kann öfters gewechselt werden

"Wenn der Zielberuf feststeht und ein mehr oder weniger langes Fachstudium absolviert wurde, dann macht es Sinn, sich einen Arbeitgeber mit besonders gutem Ruf auszusuchen." Bei Jüngeren, also Schulabgängern die zu ihrer Berufstätigkeit unsicher sind, könne die ersten Jobs auch dafür genutzt werden, um sich über Tätigkeiten klar zu werden. "Ein Job- oder Firmenwechsel alle drei Jahre ist zu Beginn einer Karriere völlig normal", entwarnt Gerdenits.

Beim ersten Job soll man sich auch gut überlegen, ob man in einem Klein- oder Mittelstandsunternehmen (KMU) oder in einem Großunternehmen arbeiten will. Tipps gibt Mag. Werner Hammerl, Karriereberater aus Wien. Etwa ein Viertel seiner Kunden sind junge Berufseinsteiger, ihnen rät er:

Generalisten und Spezialisten

"In KMUs werden Generalisten-Mentalitäten unter den Bewerbern nach wie vor besonders gerne gesehen. Damit meine ich Mitarbeiter, die sich bei anfallenden Arbeiten nicht sofort fragen, ob derlei Tätigkeiten überhaupt in ihren Funktionsbereich fallen, sondern generell dort mit anzupacken bereit sind, wo gerade Not am Mann ist. Im Gegensatz dazu fühlen sich Spezialisten-Mentalitäten oft in größeren Unternehmen wohl, in denen die zugeteilten Aufgaben und Verantwortungsbereiche zumeist klar in den entsprechenden Funktionsbeschreibungen definiert werden."

Elfriede Gerdenits sieht starke Unterschiede bei ihren Klienten, wenn es darum geht, den ersten Job mit Sinn für so praktische Überlegungen anzugehen: "Hauptschüler oder Schüler aus Polytechnischen Schulen sind meistens besser berufsorientiert als Abgänger von allgemeinbildenden Schulen, für die der Berufseinstieg die größte Hürde darstellt. Maturanten aus berufsbildenden Schulen haben meist ein klar definiertes Berufsziel vor Augen, aber auch keine Ahnung, was für eine erfolgreiche Bewerbung erforderlich ist. Jungakademiker verfügen über umfangreiches theoretisches Wissen und gehen oft mit überzogenen Erwartungen ans Bewerben heran."

In den ersten Wochen kann man viel falsch machen

Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass man beispielsweise mit überzogenen Gehaltsvorstellungen einen potentialen Arbeitgeber verprellt. Elfriede Gerdenits und Werner Hammerl raten daher unisono, sich im Vorfeld durch möglichst viel Kontakt mit Berufstätigen in der jeweiligen Branche oder im passenden Unternehmen offen zu unterhalten. Mit online Plattformen wie Kununu oder XING ist das heute leichter denn je und sogar anonym möglich.

Ist der erste Job dann gefunden, dann gilt es die Anfangsphase zu vermeiden: Wäre Andreas F. womöglich länger bei seinem "Alptraumarbeitsgeber" geblieben, wenn er sich anders benommen hätte? Laut Elfriede Gerdenits kann man in den ersten Wochen der Berufstätigkeit besonders viel falsch machen: "Alle Extreme können zu Problemen führen: zu leise - zu laut, zu isoliert - zu anbiedernd, zu passiv - hyperaktiv. Zu den klassischen Einsteigerfehlern zählen auch, dass Berufsanfänger zu wenig nachfragen und sich oft panisch vor Fehlern fürchten."

Im Berufsleben gelten neue Spielregeln

Ein besonders Augenmerk soll man aber auf die sozialen Netzwerke im Unternehmen legen und sich nicht vorschnell neue Freunde suchen: "Berufseinsteiger verbünden sich zu rasch mit den falschen Leuten, achten aber andererseits zu wenig darauf, sich strategische Freunde und Förderer zu suchen. Die Spielregeln im Schulbetrieb haben in Unternehmen keine Gültigkeit. Je rascher Berufseinsteiger dies erkennen, umso besser werden Start und Integration klappen."

(Benedikt Mandl)