Mobbing: Vom Streit zum Psychoterror
Verbreiten von Gerüchten, Sticheleien oder Bloßstellen vor Kollegen - Mobbing hat viele Gesichter. Gefeit vor den Schikanen im Büro ist keine Branche.
"Die meisten Menschen, die unsere Beratung suchen, kommen direkt vom Arzt", erzählt Sepp Wölfler. "Von sich aus würden viele gar nicht kommen; es gibt da leider eine Hemmschwelle." Eine Betroffene sei gar sechsmal vor seiner Tür gestanden, ehe sie sich in Wölflers Büro in Zell am See wagte. Sepp Wölfler berät Arbeitnehmer, die von Mobbing betroffen sind: Von systematischem Psychoterror durch Kollegen oder Vorgesetzte.
Systematischer Psychoterror
Die Gesichter des Mobbings sind vielseitig: Die Täter unterbrechen beispielsweise ein Gespräch, sobald das Opfer den Raum betritt, um es bewusst auszuschließen oder ihm Informationen vorzuenthalten. Andere werden ständig kritisiert oder zu niedrigen Tätigkeiten abkommandiert und damit persönlich herabgewürdigt. Auf Dauer kann das gesundheitsbedrohliche Folgen haben.
Denn der durch Mobbing ausgelöste Stress kann von psychosomatischen Störungen wie Verdauungsproblemen oder Schlafstörungen bis hin zum Magengeschwür oder im schlimmsten Fall zum Herzinfarkt führen. Mobbing verwechseln viele mit alltäglichen Konflikten im Büro. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem neudeutschen Wort aber ein Phänomen, das in vielen Ländern schon lange als strafrechtlicher Tatbestand anerkannt ist.
Mobbing: In vielen Ländern ein Straftatbestand
"Wenn man nur einmal blöd angeredet wird, dann ist das natürlich kein Mobbing", klärt Wölfler auf. "Viele Menschen sind da etwas voreilig. Für uns ist Mobbing aber dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr zwei Mal die Woche oder öfter schikaniert oder belästigt wird." "Wir", das sind im Fall von Wölfler die Berater des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Sie bieten in ganz Österreich Rat und Tat für die Opfer von Mobbing. Und beides wird dringend benötigt.
In mehr als 40 Prozent der österreichischen Unternehmen werden Mitarbeiter systematisch schikaniert, so eine Studie des Instituts IMAS, das im Auftrag von Büromöbel Blaha Arbeitnehmer im ganzen Land befragte. In Wien ist es besonders schlimm, einkommensschwache Arbeiter und Angestellte sind die häufigsten Opfer. Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen sind enorm: Jeder sechste Selbstmord in Österreich soll mit Mobbing in Zusammenhang stehen.
Ursache: Wachsender Wettbewerb
"Es wird immer häufiger, immer brutaler. Schuld ist wohl der wachsende Wettbewerb, der wirtschaftliche Druck", meint Mobbing-Fachmann Wölfler. "Vor allem ältere Arbeitnehmer sind in Betrieben oft nicht mehr gewünscht, sie werden besonders häufig von ihrem Arbeitgeber systematisch in die Pension geekelt."
Und "alt" sei man heute schon ab 40 Jahren. Branchen, in denen besonders oft gemobbt wird, seien jene mit Gruppenbildung und Hierarchien: "Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, vor allem. Betreuungsheime für Senioren und Behinderte. Aber auch die Post und der Handel." Gefeit sei vor Mobbing grundsätzlich aber keine Branche.
Die Arbeiterkammer kann helfen
Doch wie sollte man als Betroffener reagieren? Neben dem Gewerkschaftsbund hilft Betroffenen auch die Arbeiterkammer. Auf ihrer Website gibt sie Ratschläge zum richtigen Verhalten: Rational solle man sich geben, Konflikte besprechen und nicht emotional werden. Wenn das nicht mehr hilft, sollte man über die einzelnen Schikanen ein Protokoll führen.
Das kann im Falle juristischer Konsequenzen sehr wichtig sein, auch Sepp Wölfler gibt "seinen" Mobbing-Opfern ein "Mobbingtagesblatt". Dort sollen sie genau vermerken, wer was und unter welchen Umständen getan hat. Parallel versuche er meist, mit dem jeweiligen Unternehmen zu verhandeln. Nicht immer ist das von Erfolg gekrönt.
Schikanen können in den Krankenstand treiben
Sehr gut könne er sich noch an einen Fall erinnern, in dem er mit dem Chef eines Mobbing-Opfers gesprochen habe. Die Schikanen hatten den Betroffenen in den Krankenstand getrieben. "Als ich von der Besprechung mit dem Vorgesetzten zurückkam, hatte sich der Betroffene umgebracht." Natürlich endet nicht jeder Fall von Mobbing auf so tragische Weise.
Angesichts der steigenden Opferzahlen fragen sich aber immer mehr Arbeitnehmer, warum Mobbing in Österreich kein Straftatbestand ist. Mobbingexperten fordern schon seit Jahren ein Mobbinggesetz zum Schutz von Arbeitnehmern. "Da heißt es dann immer von Seiten der Wirtschaft: Mobbing ist ein amerikanisches Phänomen, so etwas gibt es bei uns doch gar nicht", erregt sich Sepp Wölfler bei diesem Thema.
Arbeitgeber unterliegt der Fürsorgepflicht
Ein Schutz vor schikanösem Verhalten kann nur aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet werden. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, so kann unter Umständen geklagt werden - und diese Fürsorgepflicht erstreckt sich nicht nur auf den Arbeitgeber selbst, sondern auch auf die ihm unterstehenden Mitarbeiter. Wenn das Mobbing auch sexuelle Belästigung oder eine Diskriminierung beinhaltet, so könnten die Täter gegen das Strafgesetz oder Gleichbehandlungsgesetz verstoßen. Wirklich befriedigend ist die Rechtslage aber nicht geklärt.
Betroffene sollten dennoch unbedingt Hilfe suchen und ihren Frust nicht in sich hineinfressen. Arbeitnehmervertretungen, Ärzte und Psychologen können erste Ansprechpartner sein. Kommt es hart auf hart und ein Rechtsstreit ist unausweichlich, so stellen der ÖGB und die AK ihren Mitgliedern auch Juristen zur Seite.
(Benedikt Mandl, 2007)
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