Schlechtes Dienstzeugnis - was nun?
Neben Anschreiben, Lebenslauf und Abschlusszeugnis darf in einer Bewerbungsmappe eines nicht fehlen: Arbeitszeugnisse früherer Dienstgeber. Bei einer schlechten Bewertung sollten sich Arbeitnehmer aber nicht entmutigen lassen.
Einerseits sind Arbeitszeugnisse nicht immer so wertvoll, wie sie dem Arbeitnehmer erscheinen. Denn vor allem in Ländern wie Österreich, in denen Arbeitgeber zur Ausstellung eines Zeugnisses verpflichtet sind, achten Personalisten oft wenig auf die begehrten Dokumente - zumindest dann nicht, wenn es sich um nichtssagende Formschreiben handelt. Andererseits bergen Arbeitszeugnisse die Gefahr, "verdeckte" Botschaften des alten Chefs zu enthalten, die wenig schmeichelhaft sind.
Arbeitsrecht untersagt negative Bewertungen
Wenn das Verhältnis zum Arbeitgeber angespannt endet, so ist das kein Grund zur Panik. In Österreich ist es arbeitsrechtlich untersagt, offensichtlich negative Bewertungen über einen Mitarbeiter in sein Zeugnis zu schreiben. Das soll verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch ein Arbeitszeugnis in seiner Karriere behindert wird. Was aber als "offensichtlich negativ" gilt, ist unter Umständen Auslegungssache.
"Viele Verfasser von Arbeitszeugnissen beherrschen eine Art Geheimcode, der zwar prinzipiell keine negativen Inhalte oder Formulierungen verwendet - aber dennoch vernichtende Urteile über die tatsächliche Leistung des Beurteilten ausdrückt", warnt Mag. Werner Hammerl von der Bewerbungsberatung.at. Der Karriere-Coach aus Wien untersucht für seine Klienten heikle Passagen in Arbeitszeugnissen und prüft sie auf Doppeldeutigkeiten.
Die Kunst der Zeugnis-Interpretation
"Prinzipiell soll man negative Bewertungen zwar nicht von einzelnen Worten oder Formulierungen ableiten. Die Kunst der richtigen Zeugnis-Interpretation liegt immer in der umfassenden Analyse des gesamten Zeugnisses", so Hammerl. Allerdings gebe es eine Reihe von Reizworten und Formulierungen, die bei Personalisten sofort Alarm auslösten. So heißt "Herr X war sehr bemüht, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen2 oder "Frau Y strengte sich an, ihren Aufgaben gerecht zu werden" zum Beispiel, dass die Mühen von Herrn X und Frau Y zumeist vergeblich waren. Urteil: Schuldig der Inkompetenz, diese Formulierung will niemand auf einem Arbeitszeugnis finden.
Ähnliches gilt für die Phrase "Herr X zeigte für seine Aufgaben Interesse." Personalisten stellt es hier die Nackenhaare auf, denn es bedeutet: Dem Interesse folgte keine Leistung. Reizphrase Nummer 3: "Frau Y ist kommunikativ und zeigte eine außergewöhnliche Begabung im sozialen Umgang mit Kollegen." Soll heißen: Frau Y tratschte den ganzen Tag und hatte Affären mit Mitarbeitern. Ähnlich vernichtend wäre das Urteil: "Herr X war bemüht und zeigte sich gegenüber Vorgesetzten selbstbewusst und konsequent." Heißt: "Herr X war nicht nur unfähig, seine Aufgaben zu erfüllen, sondern auch noch ein Querulant und uneinsichtig."
Viele Zeugnisschreiber kennen die Geheimcodes selbst nicht
Etwas schwieriger wird es bei diffusen Bemerkungen. "Die Leistungen von Herrn X haben im wesentlichen unseren Anforderungen entsprochen" oder "Frau Y hat die an Sie gestellten Aufgaben im Rahmen Ihrer Fähigkeiten erfüllt" klingt eindeutig nicht positiv - wie sehr ein solches Urteil schadet, hängt aber wohl auch vom jeweiligen Personalisten ab. Zeugnis-Spezialist Werner Hammerl weist darauf hin, dass viele Aussteller von Arbeitszeugnissen oft selbst die Geheimcodes nicht wirklich kennen.
Angesichts all dieser "Risiken" bei Arbeitszeugnissen sollten sich Bewerber aber keineswegs entmutigen lassen. Denn Arbeitszeugnisse sind bei den meisten Bewerbungen weniger wichtig, als sich das viele Ex-Chefs wünschen würden: "Empfehlungsschreiben sind in Österreich - und in anderen Ländern, in denen eine Pflicht besteht, Zeugnisse auszustellen - weniger wichtig als Lebenslauf und Schul- oder Universitätszeugnisse", beruhigt Julia Schrammel, Leiterin der Human Resources von Capgemini Central Eastern Europe in Wien.
Wenn der neue Arbeitgeber anruft
"In der Regel steht nicht die Beurteilung des Kandidaten im Vordergrund, sondern die Verfizierung der Daten im Lebenslauf, wie Anfang und Ende des Dienstverhältnisses und der Funktion."
Auch bei einer zweiten Ur-Angst von Jobsuchenden gibt Schrammel übrigens Entwarnung: Dass ein Arbeitszeugnis automatisch zu einem Telefonat führe, bei dem der Ex-Chef seinen ehemaligen Mitarbeiter erst recht in die Pfanne hauen könnte. "Anrufe bei Referenzen - unabhängig vom Vorliegen eines Empfehlungsschreibens - sind nur bei wichtigen Positionen üblich. Außerdem werden Sie nur nach Abstimmung mit den Kandidaten durchgeführt."