Selbstmanagement: Strukturiert entscheiden, sicher entscheiden

Frisch gewagt, ist halb gewonnen – aber eben nur halb. Schnelle Entscheidungen bergen Risiken. Wer planvoll an ein Problem herangeht, fährt sicherer. In fünf Schritten zur klugen Entscheidung.

Von Christoph Stehr

Der Airbus stampft und schlingert im Gewitter wie ein Auto auf der Buckelpiste. Die Wolken werden schwärzer, die Böen heftiger. Druckabfall in der Kabine, meldet der Computer. Die Sauerstoffmasken fallen aus der Kabinendecke, ein Passagier schreit hysterisch. Die Crew im Cockpit prüft die Alternativen: Kurs zum Zielflughafen halten, Zielflughafen auf geändertem Kurs ansteuern, Ausweichflughafen suchen, technisches Problem lösen. Das letzte Wort hat der Kapitän. Die Zeit drängt.

Einstellungskriterium Nr. 1

Zum Glück stehen nicht wirklich Menschenleben auf dem Spiel. Das Gewitter hört sich echt an, das mit Anzeigen und Schalter vollgestopfte Cockpit sieht echt aus, und dem Mann am Steuerknüppel perlt echter Schweiz von der Stirn. Den Rest der Vorstellung besorgt der Flugsimulator. Im so genannten Crew Resource Management Training, das jeder Pilot regelmäßig auffrischen muss, nimmt Entscheidungsfindung breiten Raum ein.

Im richtigen Moment den richtigen Knopf zu drücken, macht den Erfolg aus – das gilt für jeden Beruf. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages bei 2154 Unternehmen ist Analyse- und Entscheidungsfähigkeit die wichtigste "weiche" Qualifikation, die ein Bewerber vorzuweisen hat. 85 Prozent der Befragten teilen diese Einschätzung – Leistungsbereitschaft und Teamfähigkeit wurden nicht so häufig genannt.

Topmanager und Piloten müssen entscheiden können

Der Kommunikationswissenschaftler und Personaltrainer Martin Dutschek hat für Manager und Ärzte ein Schulungsprogramm entwickelt, das den Flugsimulator am Flughafen Hannover einbezieht. Die Teilnehmer lernen im originalgetreu nachgebildeten Airbus-Cockpit, wie die Crew gebrieft wird, wie man Checklisten abarbeitet und genau kommuniziert. Anschließend sollen sie auf einem simulierten Flug von Hannover nach Frankfurt eigenständig Aufgaben lösen, an denen Dutzende Entscheidungen hängen.

"Die Arbeit eines Topmanagers zeichnet sich durch hohen Entscheidungsdruck aus", sagt Dutschek. "Solche Situationen gibt es auch im Cockpit und im OP."

Aus Fehlern lernen

Um professionell Entscheidungen zu treffen, sei es sinnvoll, zunächst Fakten und Optionen zu sammeln und Risiken abzuwägen. Auf dieser Grundlage reift die Entscheidung, das eigentliche Umlegen des Schalters. Teamgeist und die Bereitschaft, Fehler anderer zu benennen und eigene Fehler zu akzeptieren, tragen dazu bei, dass auch in Zukunft gute Entscheidungen möglich sind. "Wer selbstherrlich und hierarchisch ist und nicht bereit, ständig an sich zu arbeiten, hat im Cockpit nichts zu suchen", sagt Dutschek.

Zu 100 Prozent lässt sich die Entscheidungskultur aus dem Flugzeug ins Unternehmen aber nicht übertragen. Während der Pilot nur ein Ziel hat, nämlich Sicherheit, kann und muss der Manager Risiken eingehen. Entsprechend mehr Entscheidungsalternativen hat er. Manchmal darf er auch dem viel beschworenen Bauchgefühl vertrauen.

Verstand und Gefühl nutzen

"Sowohl Kopf und Bauch nutzen!", empfiehlt der Berliner Karriere-Coach Karsten Noack. "Das Bauchgefühl ist – aufgeräumten Gesamtzustand vorausgesetzt – das wertvolle Ergebnis all unserer gemachten Erfahrungen, ein Schatz!" Allerdings müsse das Ziel klar definiert sein: Wer nicht weiß, wohin er will, kann nicht entscheiden, ob er losgehen oder bleiben soll. "Im Vorteil ist, wer möglichst außerhalb des Systems einen guten Gesprächspartner hat", sagt Noack. Die zweite Meinung hilft, Handlungsmöglichkeiten besser zu bewerten.

Entscheidungsfähigkeit zu trainieren, klappt übrigens nicht nur im "echten" Flugsimulator. Der PC zu Hause tut es auch, haben Wissenschaftler der Universität von Rochester/New York herausgefunden. Sie ließen Studenten 50 Stunden mit Computerspielen ihrer Wahl verbringen, vom einfachen Ballerspiel bis zum anspruchsvollen Strategie- und Rollenspiel. Danach sollten sie anhand von akustischen und visuellen Signalen voraussagen, in welche Richtung sich Figuren auf dem Bildschirm bewegten.

Entscheidungsfähigkeit trainieren

Verblüffende Erkenntnis: Die Freunde des Action-Genres entschieden sich schneller landeten mehr Treffer als die Strategen. Beide Gruppen schnitten deutlich besser ab als Probanden, die vorher gar nicht am PC gespielt hatten.